Sanierung Obelisk in Braunschweig, Löwenwall

Der Obelisk am Braunschweiger-Löwenwall wurde in den Jahren um 1820 herum gebaut, vgl., Bild 1. Ein Obelisk stellte im alten Ägypten – wie auch die Pyramiden – die steingewordenen Strahlen der Sonne (des Sonnengottes) dar und soll die Verbindung zwischen der hiesigen und der Götterwelt symbolisieren.

Bild 1: Der Obelisk am Löwenwall in Braunschweig

Heute ist der Obelisk mehr das Symbol der Herrschaft, vgl. das Washington Monument in der National Mall in Washington D.C., USA, oder den Obelisken auf dem Petersplatz in Rom. Der Braunschweiger Obelisk ist gebaut worden zur Erinnerung an seinen Herzog den Welfen Carl-Wilhelm-Ferdinand, der unglücklich in einer Schlacht gefallen war, Bild 2.

Bild 2: Widmung des Obelisken

Er besteht nicht aus einer massiven Steinsäule, sondern aus vier gegossenen Platten, die über Winkel an den Ecken miteinander verbunden sind. Bei einer Restaurierung Ende der neunziger Jahre fiel auf, dass die Gussplatten von großen Rissen zerstört sind, Bild 3 und Bild 4.

Bild 3: Querriss im oberen Bereich Bild 4: Eckenbruch
.

Bis auf die Südplatte waren alle Platten oben vollständig durchgerissen. An den Rissenden war das Blech dreiecksförmig herausgebrochen. Damit war die Standsicherheit unter Windeinwirkung nicht mehr gewährleistet, Bild 5.

Bild 4: Versagenszustand bei Windlastangriff aus Norden

Um die Standsicherheit sicherzustellen, wurden von Ingenieurbüros Vorschläge eingeholt. Alle vorgelegten Sanierungsvorschläge griffen stark in das Bauwerk ein und veränderten das System zum Teil erheblich, vgl. Bild 6 und 7.

Bild 6: Einbau eines Stützgerüstes Bild 7: Überdrückung des Risses durch Zusatzgewicht
.

Das fand erwartungsgemäß nicht die Zustimmung des Denkmalschutzes. Ich wurde beauftragt, eine Lösung zu entwickeln, die diese Nachteile nicht hat.
Wie bei jeder Sanierung gilt auch hier: Vor der Therapie steht die Diagnose!

Bild 8 zeigt den aus vier ca. 2 cm dicken Gussplatten bestehenden Obeliskenquerschnitt. Die Platten werden an einigen diskreten Punkten über Winkel miteinander verbunden.

Bild 8: ,Querschnitt und Stabwerksmodellierung des Systems

Durch den Schwarzbeschichtung treten in der Südplatte bei Sonneneinstrahlung erhebliche Temperaturen auf, die Südplatte möchte sich verlängern. Durch die diskreten Verbindungswinkel fließt nur wenig Wärme in die Seiten- und dann in die Rückplatte ab, Der Obelisk verkrümmt sich etwa so, wie rechts in Bild 8 dargestellt. Beim verwendeten Stabwerksmodell wurde jede Gussplatte durch einen durchlaufeden Stab modelliert. Dort wo Winkel gesetzt waren, wure im Modell eine Art Querrahmen verwendet, um den Zusammenhalt der Struktur zu gewährleisten.
Bei früheren Sanierunegn wurden die Risse stets verstärkt . Die ist bekanntlich bei Zwängunsgbeanspruchungen aber nicht immer der richtige Weg, da dadurch die Zwängungskräfte anwachsen. Die Rissentstehung kann man sich, wie folgt, klarmachen, Bild 9:

Bild 9: Kräftespiel am gedanklich zerschnittenen System

Wenn man sich die Gussplatten, wie in Bild 9 links dargestellt geschnitten vorstellt, würden sich bei Endhalterung (durch die anderen Platten) die Einzelplatten der erhitzten Südplatte bei einer Temperaturerhöhung alle verlängern. Da das nicht ohne weiteres geht, sie berühren sich ja nach dem Schnitt, müssen an den Berührkanten Schnittkräfte auftreten, die – da die Platten etwa den gleichen Querschnitt haben – gleich groß sind. Sie heben sich deshalb am Schnitt jeweils weg und es verbleiben nur die beiden Randkräfte. Die Zwängungskräfte werden also nur am Randeingetragen. Ein Effekt, den man z.B. aus dem Verbundbau kennt, wo auch die Schwindkräfte nur durch den letzten Dübel aufgenommen werden – wenn dieser als unendlich starr angesehen wird, sonst verteilt sich die Kraft auf einen kleinen Endbereich.
Es liegt auf der Hand, dass der obere kleinere Querschnitt im Bereich der vorhandenen Löcher gerissen ist (Bruch im Nettoquerschnitt), siehe Bild 3.
Statisch gesehen, liegt also ein Querschnitt wie ein unbewehrter Stahlbetonquerschnitt vor: Der Druckgurt ist die durchgängige Südplatte, der gerissene Zugbereich liegt in den anderen drei Platten. damit ist auch das Sanierungskonzept klar: Der Querschnitt bedarf einer Art Bewehrung, Bild 10:

Diese Bewehrung wurde aus 12 mm Seilen realisiert, die in den Ecken heruntergeführt wurden, Bild 11:
Bild 11: Querschnittsbewehrung mit Seilen

Die Denkmalpflege stimmte dieser minimalinvasiven Lösung sofort zu und der Obelisk wurde so saniert.

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