Sehr hohe Krane

1. Problemstellung

In den letzten 20 nis 30 Jahren sind viele Bauwerke ausgeführt worden, die sehr hohe Krane erforderten. Beispielhaft sei hier die Auswechslung des Rauchgasrohres des Kraftwerks Duisburg zu nennen, Die alten Rauchgasrohre wurde durch den Mauerwerkskamin nach oben herausgehoben und die neuen Teile umgekehrt von oben hineingehoben. Da der Schornstein ca. 180 m hoch ist, musste der Kran mehr als 200m Hakenhöhe haben , um die neuen Elemente hineinheben zu können, Bild 1).

Bild 1: Übersicht Kran am Kamin Bild 2: Kran mit Rauchgasrohr am Haken… Bild3: Kran mit Abspannung

Von einer bekannten Kranfirma aus Heilbronn wurde ich gebeten, bei der Frage der Standsicherheit des abgespannten Krans zu beraten und auch selbst die Statik des abgespannte Krans zu berechnen.
Der Kranschaft konnte im unteren Bereich am Gebäude befestigt werden (Bild 3 und 4). Eine ähnliche Halterung direkt am Mauerwerkskamin wurde als zu riskant angesehen und daher verworfen.

Bild 4: Halterung am Gebäude

So blieb als Ausweg nur eine Abspannung des Kranes (Bild 2 und 3).
Die Geometrie und Bebauung des Geländes erlaubte es, hier eine klassische 120° Abspannung auszuführen. Dies ist immer die günstigste und wirtschaftlichste Ausbilkdungsart einer Abspannung. Die Vorspannung der Abspannseile wurden über Winden eingestellt. Integrierte Kraftmesser maßen die Vorspannkraft (Bild 5).

Bild 5: Einstellung der Vorspannung über Winden und Kraftmessung

2. Vorgehensweise

Bei der Dimensionierung wird von den geltenden Normen für abgespannte Bauwerke (zur Entwurfszeit DIN 4131-1991) und den jeweils aktuellen Windlastannahmen (DIN 1055-4 März 2005) ausgegangen. Daneben gelten natürlich die Regeln für Krane! Im Rahmen der vorliegenden Bauaufgabe wurde das Programm RASTA eingesetzt, das in wesentlcihenTeilen direkt auf die Berechnung seilabgespannter Tragwerke ausgelegt und eingabeoptimiert ist. Bei der Modellierung ist es wichtig, auch die Exzentrizitäten der Seilanschlüsse am Mastschaft zu berücksichtigen, da diese zu einer beträchtlcihen Schnittkraftveränderung gegenüber einem zentrischen Anschluss führen (Bild 6). Die Elementeinteilung wurde in Anlehnung an die Turmschaftelemente vorgenommen, da dies häufig wechseln.

Bild 6: System für die Berechnung mit RASTA

Bild 7: Unterer Seilanschlussebene Bild 8: Obere Seilanschlussebene

Nach DIN 4131-1991 genügt als dynamischer Nachweis nur der für den überstehenden oberen Kragarm. Dabei wird die oben erwähnte Böenlast mit dem sog. Böenreaktionsfaktor G multipliziert. Als wesentlicher Eingangsparameter wird dafür die Eigenfrequenz des oberen Kragarms benötigt, unter Berücksichtigung der Einspannbedingungen an der obersten Seilanschlussebene.
In DIN 4131-1991 ist für die Berücksichtigung der Einspannung an der obersten Abspannung Hilfe in Form eines Diagramms gegeben. Siehe DIN 4131-1991, Abs. A2.2; Dieser gilt der Überschrift nach nur für wirbelerregte Querschwingungen, er kann jedoch ohne Weiteres auch für die Eigenfrequenzbestimmung für den Böennachweis verwendet werden. Die Schwingdauer T – als Kehrwert der Eigenfrequenz – kann mit Hilfe des Bildes A.9 oder exakt durch Berechnung des gesamten Systems bestimmt werden. Eingangsparamter für das Bild A.9 sind die Verschiebe- und Verdrehsteifigkeiten. Diese werden am einfachsten aus dem Kehrwert der Verformungen bei Ansatz einer Einheitskraft oder eines Einheitsmomentes bestimmt. Dies kann ggf. schwierig werden, da sich das System infolge der Abspannungen nichtlinear verhält.
Das Bild A.9 der DIN 4131-1991 liefert dann die Schwingzeit T. Die Eigenfrequenz f ergibt sich daraus einfach zu f=1/T, vgl die Grundlagen zur Dynamik.

Die Verwendung der aktuellen Windlastnorm DIN 1055-4 (Märtz 2005) bedeutet, dass auch die Reduktion der maximalen Böenwindgeschwindigkeiten gemäß DIN 1055-4, Abs. 7.2, wegen der begrenzten Standzeit des Krans ausgenutzt wurde: Als

  • Böenlast wurde das 0,6 fache der maximalen Böenlast angesetzt (DIN 1055-4 (Tabelle 1 für Standzeit bis zu 12 Monaten, ohne Schutzmaßnahmen)
  • für den Kragarm ergab sich nach DIN 4131 ein Böenfaktor φ=η x φ0 = 0,85 x 1,91 = 1,62
  • resultierende Last ergibts ich also aus der max. Böenlat multipliziert mit 0,6 x 1,62 = 0,97
  • Berechnet sind zwei typische Windrichtungen
    • in die Gabel (d.h. in die MItte zwischen zwei ungünstige Seile)
    • über das Nackenseil (genau in Richtung eines Seils)

Sehr viel einfacher gelingt die Frequenzbestimmung mit Hilfe des Programms RASTADYN, das bei Peil-Ingenieure (PI) im Dauereinsatz ist. Das hat den Vorteil, dass dabei auch die Seildynamik berücksichtigt wird. Ein Ersatz der nichtlinearen Seile durch lineare Federn oder entsprechende Dehnstäbe führt auf grob falsche Ergebnisse, da die Seildynamikeine drastische Auswirkung hat. Erregt der schwingende Mast ein Seil am oberen Anschlusspunkt in Resonanz, so ändert sich das Seiltragverhalten drastisch: Es stützt nicht mehr den Mastschaft, sondern hält sich am Mast fest! Bild zeigt beispiel die Eigenschwingform der interessierenden untersten Eigenfrequenz:

Bild 9: Eigenschwingform der untersten Eigenfrequenz

In Bild 10 ist der Frequenzgang des Systems dargestellt. Man erkennt die hohen Resonanzspitzen bei f=0,125 Hz. Die höheren Eigenwerte haben deutlich geringere Spitzen und spielen bei der Böenbemessung auch keine Rolle. HIer ist die niedrigste Eigenfrequenz die gefährdeste.


Bild 10: Frequenzgang des abgespannten Systems

Natürlich könnte man den Kran auch vollständig nach der Zufallsschwingungstheorie mit den Ansätzen der DIN 1055-4, Anhang C (Verfahren zur Ermittlung des Böenreaktionsfaktors) bemessen. Prof. Peil hat das schon häufig durchgeführt. Im Regelfall für Zwecke des oft sogenannten „Gesundbetens“, da das genaue Verfahren in der Regel zu etwas wirtschaftlicheren Ergebnisen kommt.

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