Windstandort-Untersuchungen

Allgemeines Vorgehensweise

Das lokale Windklima am Bauort ist abhängig von

  • ungestörte Wind am Standort
  • Windrichtung
  • Geländeform
  • Rauhigkeitsverhältnissen
  • lokalen Hindernissen

Diese drei Einflüsse werden in einem Modell, das sowohl die Orographie (Topographie und Rauhigkeit) als auch lokale Hindernisse erfasst berücksichtigt. Zunächst müssen dazu die Höhenlinien des Geländes als Linienzüge in digitaler Form vorliegen. Diese Daten werden für vorgegebene Koordinaten von den Landesvermessungsämtern als Digitales Geländemodell bereitgestellt. Hierzu wurde ein Programm entwickelt, das die rasterweise vorliegenden x,y,z-Koordinaten des Digitalen Geländemodells in die entsprechenden Höhenlinienzüge umrechnet. Die ungestörte Windgeschwindigkeit u(z), ist die Windgeschwindigkeit, die bei ungestörten Anströmungsverhältnissen (keine Hindernisse und kein Rauhigkeitswechsel in der Messhöhe z gemessen werden würden. Die ungestörte Windgeschwindigkeit ist also von den o.a. Störungseinflüssen dekontaminiert.

Die Größe der extremen Windgeschwindigkeit, die mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit noch überschritten wird, hängt von der Windrichtung ab. Im Eurocode und auch iin der DIN 1055 Teil 4 ist ein Richtungsfaktor eingeführt worden, mit dem die Referenzgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Windrichtungssektors abgemindert werden kann. Bei normalen Bemessungsaufgaben wird konservativ angenommen, dass der extreme Sturm mit gleicher Wahrscheinlichkeit aus jeder beliebigen Richtung auftreten kann.
Zunächst muss der von Topographie , Hindernissen und Rauhigkeit ungestörte Wind am Standort bestimmt werden, dies wird im folgenden Kapitel erläutert.

Statistik des ungestörten Windes

Die DIN EN 1990 schreibt vor, für eine zeitabhängige veränderliche Einwirkung den charakteristische Wert so festzulegen, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 98% während einer Bezugsdauer von einem Jahr nicht überschritten wird bzw. nicht häufiger als einmal in 50 Jahren (im Mittel) erreicht oder überschritten wird, d.h. die Überschreitungswahrscheinlichkeit je Jahr beträgt im Mittel: 1/50 = 0.02. Vom Deutschen Wetterdienst (DWD) Potsdam werden gegen eine geringe Gebühr die richtungsabhängigen Häufigkeiten – dargestellt in Prozent – der mittleren Windgeschwindigkeiten (Stärkewindrose), die i.a. über ca. 30 Jahre gemessen wurden, übersendet. Beispiel:

Messort war hier die Station Angermünde, für die allerdings nur kürzere Messzeiten vorliegen. Naturgemäß sind die Messwerte der Messstation mit den örtlichen Rauhigkeiten und Hindernissen „kontaminiert“, so dass dieser örtliche Einfluss des Messortes aus den Daten herausgerechnet werden muss. Hierzu werden die vom DWD gelieferten sektorweise unterschiedlichen Rauhigkeitslängen z0 sowie der Einfluss der Rauhigkeit und größere Hindernisse im Vorfeld in Form von Korrekturfaktoren geliefert. Die Korrekturfaktoren für Rauhigkeit und Hindernisse sind Tabelle 1 angegeben. Der angegebenen Sektorwinkel ist der Mittelwert des zugehörigen 30° Sektors.

Die in der o.a. Tabelle 1 angegebenen Rauhigkeitswerte wurden vom DWD auf der Grundlage der in [7] beschriebenen Methode mit Hilfe des Modells WasP bestimmt. Die Berechnung der sog. ungestörten Windgeschwindigkeit u(z), d.h. der Windgeschwindigkeit, die bei ungestörten Anströmungsverhältnissen (keine Hindernisse) und ohne Rauhigkeitswechsel in der Messhöhe z gemessen werden würden, kann auf der Grundlage der gemessenen Werte der Windgeschwindigkeit u0(z) mit Hilfe der Faktoren in Tabelle 1 und der Gleichung:

bestimmt werden. In Tabelle 2 ist die gemessene richtungsabhängige Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeiten angegeben. Die angegebenen Winkel sind Sektormitten.

In Tabelle 3 sind die o.a. Korrekturen vorgenommen worden. Dabei wurde so vorgegangen, dass die Häufigkeiten der gemessenen Windgeschwindigkeiten in die jeweils neue Klasse umsortiert wurden. Wenn die Korrekturfaktoren in der Nähe von 1 bleiben, wird in vielen Fälle die Klasse dennoch nicht verlassen.

Tabelle 3 ergibt die Überschreitungswahrscheinlichkeiten aus den akkumulierten Werten der Häufigkeitsverteilung. Die Häufigkeiten sind hier bereits auf Jahresstunden umgerechnet worden. Es gilt:
Der 50-Jahreswind aus allen Richtungen wird in der Grundgesamtheit mit der Wahrscheinlichkeit
überschritten, d.h. an Stunden pro Jahr.

Zur Ermittlung der richtungsabhängigen Überschreitungswahrscheinlichkeit des 50-Jahreswindes ist in Bild 2 die sog. Logistische Verteilung verwendet worden, bei der der Logarithmus der Überschreitungswahrscheinlichkeiten über der linearen Windgeschwindigkeit aufgetragen wird [1]. In dieser Darstellung der Grundgesamtheit lässt sich der Bereich seltener Ereignisse, d.h. hoher Werte der mittleren Windgeschwindigkeit vm durch eine Gerade annähern, so dass auf die gesuchten Extremwerte extrapoliert werden kann. Die Anzahl aller Jahresstunden in Promille dargestellt ergibt sich nicht zu 1000, sondern bleibt gering darunter. Dies ist durch die Angaben des DWD vorgegeben. Es handelt sich hierbei um akkumulierte Zeitmessfehler etc. die für die Auswertung keine Rolle spielen.

Man erkennt, dass durch die relativ geringe Datenbasis nur kaum echte Extremwerte gemessen wurden. Die Extrapolation ist also mit Vorsicht zu betrachten.
Die sich durch Extrapolation im Wahrscheinlichkeitspapier ergebenden Windgeschwindigkeiten, die in den einzelnen Sektoren einmal in 50 Jahren im Mittel auftreten, sind in Tabelle 5 in m/s angegeben.

Die maximalen mittleren Windgeschwindigkeiten sind am Bauort geringer als die Windgeschwindigkeiten nach der Windlastkarte der neuen DIN 1055, Teil 4 „Windlasten“ [8] für die Windzone II, der der Standort zuzurechnen ist. Die um die örtlichen Einflüsse bereinigten Windgeschwindigkeiten werden nun als Eingangswerte für eine Berechnung mit Hilfe des Programms WasP verwendet.
Heute wird die oben gezeigte Logistische Verteilung i.a. durch eine Extremwertverteilung nach Typ III ersetzt. Hierbei werden nur die Jahresextremwerte der Windgeschwindigkeit verwendet. Die Approximation mittels einer Typ-I-Extremwertverteilung kann zu einer konservativen Prognose von Extremwerten der Windgeschwindigkeiten führen, da mittels dieser Funktion die Messwerte linear auf die Nicht-Überschreitenswahrscheinlichkeit extrapoliert werden und die Windgeschwindigkeiten diesem Modell zufolge nicht nach obenhin beschränkt sind. Eine solche Begrenzung ist jedoch aus geophysikalischen Gründen gegeben. Es wird deshalb i. Allg. eine Approximation mit der Typ-III-Extremwertverteilung empfohlen. Für eine solche Approximation ist ein Stichprobenumfang von 20 Messwerten maximaler Windgeschwindigkeitenin 10 Jahren notwendig, wobei sich die Approximation auf solche Ereignisse mit einer Nicht-Überschreitenswahrscheinlichkeit von P>0,3 beschränken sollte [2]. Das folgende Bild zeigt die Auswertung auf dem entsprechenden Wahrscheinlichkeitspapier für einen Sektor:

Man erkennt, dass die „ausgleichende“ Gerade hier mehr an den wenigen großen Windereignissen (Wahrscheinlichkeit ca. 0,98, oben rechts im Diagramm) ausgerichtet wurde und nicht an der großen Zahl der kleinen Ereignisse. Dies ist hier sinnvoll, da die 50 Jahres-Extremwerte näher an den gemessenen maximalen Extremwerten liegen werden, als an den kleinen Werten.

Berücksichtigung des Windrichtungseinflusses

Sowohl DIN 1055, 4 als auch der zugrundeliegende Eurocode erlauben das Berücksichtigen der aktuellen Bauwerkslage und der -orientierung. Das bedeutet, dass der Windrichtungseinfluss berücksichtigt werden darf. Dies kann bei der Bemessung oft zum Vorteil ausgenutzt werden, wenn unterschiedlich steife (oder tragfähige) Achsen beim Bauwerk vorliegen. So z.B. bei Hochhäusern mit rechteckigem Grundriss. Hierbei kann die Windaufnahme in Richtung dere steifen Achse ein Vielfaches von der in Querrichtuzng dazu betragen. Wenn das Gebäude zufällig so ausgerichtet ist, dass die Richtung der steifen Seite in Hauptwindrichtiung (bei uns i.a. um West herum) ausgerichtet ist, kann die Windlast auf die Querseite oft beträchtlich herabgesetzt werden. Üblicherweise werden die Windrichtungen in Sektoren von 30° zusammengefasst. Grundsätzlich akkumuliert sich für ein Sturmphänomen die beobachtete richtungsabhängige Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit einer bestimmten Windgeschwindigkeit wie folgt aus den Sektorbeiträgen:

mit hi als relativer Häufigkeit der extremen Windgeschwindigkeiten im Sektor i. Die unmittelbare Verwendung einer Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit von p=0,98 unabhängig für jede Windrichtung i führte bei Akkumulation über alle 12 Sektoren zu einer Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit von 0,9812 = 0,785, d.h. auf einen erheblich zu geringen Wert. Die Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit der richtungsabhängigen Windlast ergibt sich streng genommen nicht nur aus dem Starkwindklima, d.h. der Richtungsanhängigkeit der Starkwindereignisse, sondern auch aus der Aerodynamik des Baukörpers, d.h. der Richtungsabhängigkeit der aerodynamischen Koeffizienten in Form von Druck- oder Kraftbeiwerten. Eine Trennung dieses Zusammenhangs in zwei unabhängige Richtungseinflüsse ist nicht allgemeingültig, d.h. für beliebige Baukörper möglich. Statt dessen wird üblicherweise eine konservative Näherung eingeführt, bei der die Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit der richtungsabhängigen Windgeschwindigkeit gegenüber der richtungsunabhängigen verringert wird. Als neuen Zielwert der Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit erhält man:
mit Ni als Anzahl der Sektoren. Bei diesem Ansatz wird aus jeder Richtung die gleiche Nicht-Überschreitungswahrscheinlichkeit gefordert. Verwendet man als Ausgangswert für p(vref) den charakteristischen Wert 0,98, führt der o.a. Zusammenhang bei der üblichen Einteilung in 30° Sektoren auf den Zielwert von 0,98 1/12 = 0,9983 für die anzusetzende Windgeschwindigkeit in jedem Sektor. Dies ergibt den Wert für die komplementäre Überschreitungswahrscheinlichkeit von (1-0,9983) = 0,0017. Dies führt, insbesondere in den Sektoren, die in Hauptwindrichtung liegen, zu größeren Windgeschwindigkeiten als bei Ansatz des omnidirektionalen Windlastansatzes. Wenn das Bauwerk aber in dieser Richtung seine „starke Seite“ hat, macht das i.a. nichts aus. Zum gleichen Ergebnis kommt man in diesem Fall auch, wenn die Überschreitungswahrscheinlichkeit für alle Richtungen von 0,02 durch die Anzahl der Sektoren dividiert wird. Es ergibt sich ebenfalls 0,02 / 12 = 0,0017.

Bei der Untersuchung mit Hilfe des Programms WasPEngineering wurde der zuvor ermittelte mittlere 50 Jahreswind als sog. „reduced geostrophic wind“ angesetzt, oben als sog. ungestörter Wind bezeichnet. Hierbei ist der Wind von örtlichen Effekten am Messort „dekontaminiert“, er kann angesehen werden wie ein Wind, der über einer ideal flachen und homogenen Landschaft mit definierter, konstanter Rauhigkeit weht. Die Rauhigkeit ist vom DWD angegeben. Dieser „dekontaminierten“ Landschaft wird dann am Bauort sektorweise eine Rauhigkeit zugeordnet, die das Windprofil bestimmt.
Mit Hilfe eines Strömungsmodells wird durch das Programm WasPEngineering die aktuelle Windverteilung auf dem untersuchten Terrain ermittelt.

Höhenverlauf und Bodenrauhigkeiten (Topographie)

Der Verlauf der Höhenlinien im Bereich des Stadortes kann den Wind am Standort verändern, so können in Flusstälern z.B. Kanalisierunsgeffekte auftreten. Auf Hügeln oder Bergen steigen die Windgeschwindigkeiten an. Diese Effekte können mit Hilfe des Programms WASPEngineering erfasst werden. Dabei wird die Veränderung der mittleren Windgeschwindigkeit durch Strömungsmodelle erfasst, der daraus entstehende Turbulenzeinfluss näherungsweise abgeschätzt. Das folgende Bild zeigt den Höhenverlauf, die aus dem digitalen Geländemodell errechneten Höhenlinien und die Höhendarstellung in Falschfarben.

Bei anwachsender Bodenrauhigkeit wird einerseits die Grundwindgeschwindigkeit insbesondere in Bodennähe vermindert, andererseits die Turbulenzintensität erhöht. Der Böenreaktionsfaktor, der die Antwort des Bauwerks auf turbulenten Wind beschreibt, wächst deshalb an, wogegen die statische Reaktion infolge des mittleren Windes abnimmt. Bei quasi-statischem Verhalten ergibt sich deshalb eine Abminderung. Die DIN 1055 Teil 4 erfast diesen Einfluss durch unterschiedliche Windprofile. Da ein stabiles Windprofil eine Vorlaufstrecke von mindestens ca. 30km konstanter Rauhigkeit erfordert, solche großen Bereiche in Deutschland aber praktisch nicht vorliegen (Ausnahme Küstenbereich mit Windrichtung aus dem Meer) wird mit sog. Mischprofilen gearbeitet. Der Rauhigkeisteinfluss auch von kkleineren Rauhigkeitsbereichen kann hier berücksichtigt werden. dazu muss der Rauhigkeitsverlauf digitalisiert werden. Die Rauhigkeiten, d.h. Bebauung, Wälder, Wiesen, Heide etc. kann aus den topographischen Karten zusammen mit dem Programm Google-Earth hinreiuchend zuverlässig abgeschätzt werden. Im folgenden Bild ist die Diskretisierung der Umgebungsrauhigkeiten in Falschfarben dargestellt:

Die Wirkung der Windturbulenz hängt ab von der räumlichen Korrelation der Böen, d.h. von der Größe der das Bauwerk treffenden Böenkörper. Diese sind in guter Näherung als translatorisch bewegte und rotierende Windbälle deutbar. Je größer das Bauwerk wird, desto geringer wird die Gesamtwindlast, die auf das Bauwerk abgesetzt wird. Entscheidend ist hierbei die Größe der jeweiligen Lasteinzugsfläche. Große Lasteinzugsflächen führen zu einer großen Reduktion, kleine Lasteinzugsflächen zu einer geringeren. Ein weiterer Einfluss der Windturbulenz entsteht durch die zeitabhängigen Effekte, d.h. durch die Schwingungserscheinungen am Bauwerk, wenn dieses schwingungsempfindlich ist. Das folgende Video zeigt die turbuilente Struktur, wie sie mit WASP errechnet wurde. Es werden die Windgeschwindigkeiten in mittlerer Windrichtung (u) angezeigt und die dazu laterale Komponente (v):
Turbulenz-Movie

Die rechnerischen örtlichen Windkräfte ergeben sich durch Multiplikation des Windgeschwindigkeitsdruckes mit der angeblasenen Fläche und dem aerodynamischen Kraftbeiwert. Die Bestimmung der Beiwerte erfolgt auf der Basis von Abschätzungen in Anlehnung an DIN 1055, Teil 4 „Windlasten“, bzw. dem entsprechenden Eurocode. Bei Vorliegen von unbekannten Strukturen oder Geometrien, müssen die zugehörigen aerodynamischen Kraft- oder Druckbeiwerte mit Hilfe von Windkanalversuchen bestimmt werden.

Anwendungen

1. Werfthalle Wismar:

Dier Winrichtungseinfluss wurde z.B. bei der riesigen Dockhalle (l =395m, b=155m, h=72m) der MTW-Werft in Wismar ausgenutzt. Beim Bau zeigte es sich, dass der Baugrund in Querrichtung der Halle für Horizontalkräfte nicht so tragfähig war, wie beim Entwurf vorausgesetzt:

Glücklicherweise ist die Halle so ausgerichtet, dass die schwache Querrichtung etwa in Nord-Südrichtung weist. Aus diesen Richtungen sind nur geringe Windstärken zu erwarten. Die Halle war mit seiner (schwachen) Längsseite unmittelbar dem Wind aus der Ostsee kommend, ausgesetzt, so dass hier auf eine Untersuchung der Rauhigkeitseinflüsse in dieser Richtung verzichtet werden konnte. Eine statische Betrachtung führte dazu, dass – bei Einhaltung aller Normenvorgaben – auch in Querrichtung Standsicherheit nachgewiesen werden konnte.

2. Schiffshebewerk Niederfinow

Da das Schiffshebewerk große Flächen in großen Höhen augweist, wurde auch hier eine genauere Untersuchung des lokalen Windklimas gewünscht. Bevor darauf eingegangen wird, soll zunächst das prinzipielle System dargestellt werden.

Die vertikalen Lasten werden über den oberen Seilscheibenträger (=Seilrollenlängsträger) in die vier Aufzugstürme geleitet, siehe Skizze. Da diese allein die Lasten nicht übernehmen können, sind zusätzliche Unterstützungen in Form von gelochten Stahlbetonscheiben vorgesehen, die anteilig vertikale Lasten des Seilrollenträgers mit übernehmen. Diese zusätzlichen Unterstützungen beteiligen sich kaum an der Aufnahme der Windlast in Querrichtung, sie werden daher näherungsweise wie Pendelstäbe (genauer: Pendelwände) angesehen. Auch der Trog gibt seine Windlasten bei Queranblasung nicht in die Pendelwände ab, sondern planmäßig nur über die Aufzugstürme. Ein Ausnahme macht die Pendelwand im Anschluss an die Verbindungsbrücke. Diese Pendelwand (oder eine entsprechende Auflagerwand) muss die horizontalen Windkräfte der Brücke zusätzlich aufnehmen. Die horizontalen Windlasten auf den Trog werden durch die Aufzugstürme, die dabei als Kragträger wirken, in die Fundamentplatte getragen. Die Pendelwände übernehmen hierbei, wegen der erheblichen Steifigkeitsunterschiede, kaum Horizontallasten.
Zur Ermittlung des Windklimas wurde die örtliche Topographie digitalisiert und mit Hilfe des Programms WASP eine Analyse der dadurch bedingten Windänderungen vorgenommen. Es wurde ein Programm entwickelt, das aus den von den Katasterämtern gegebnen digitalisierten Geländepunkten ein Höhenlinienmodell extrahiert. Als örtlicher Bezugswind wurde dabei der der nächsten synoptischen Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD) verwendet. Falls diese Stationen weit entfernt liegen, kann auf der Basis des sog. reduzierten geostrophischen Windes zwischen drei umfassenden Stationen interpoliert werden, nachdem die dort gemessenen Werte vom örtlichen Topographieeinfluss dekontaminiert wurden.
Das folgende Bild zeigt die Wingeschwindigkeiten bei einer Windrichtung etwa WNW (weiße Linie), d.h. der Wind fällt etwas nördlicher ein als die Kanalachse. Man erkennt deutlich die Kanalisierunsgwirkung des Windes in der weitgehend ungestörten Kanallängsrichtung (dies kann auch für den Schiffsbetrieb im Vorhafen des Hebewerkes von Interesse sein) und die erhöhten Windgeschwindigkeiten an den Klippenrändern.
Windgeschwindigkeiten in Falschfarben

Im folgenden werden für die unterschiedlichen Windrichtungen die Windgeschwindigkeiten und Standardabweichungen am Bauort für unterschiedliche Höhen angegeben. Die Standardabweichungen σ ergeben sich hierbei aus der Schubspannungsgeschwindigkeit u*. Sie ist damit von der vertikalen Gradiente der horizontalen Windgeschwindigkeit du/dz abhängig:


Das hierbei verwendete ESDU-Modell [9] ist genauer (aber aufwendiger) als das einfache Modell, das z.B. im Eurocode 1, Abs. 2.4 verwendet wird.

3. Mast Bokel

Beim abgespannten Funkmast Bokel/Sprakensehl wurden die korrodierten Seile ausgewechselt. Bei der Gelegenheit wurde die Statik und Dynamik des Mastes überprüft. Da der Mast rechnerisch an der Tragfähigkeitsgrenze war, wurde die lokale Windwirkung genauer untersucht. Dies wurde wiederum mit Hilfe des Programms WASP durchgeführt. Die örtliche Höhen- und Rauhigkeitsverhältnisse (Wälder, Heide, Wiesen etc) wurden digitalisiert.
Zunächst müssen die am Ort auftretenden Windgeschwindigkeiten richtungsabhängig bestimmt werden. Als Bezug wurden hierbei die Daten des nur wenige Kilometer entfernten Flugplatzes in Faßberg verwendet.

Kartenausschnitt Höhenlinien


Höhenverlauf in Falschfarben Rauhigkeit in Falschfarben


Windgeschwindigkeiten aus Starkwindrichtung

Literatur

[ 1] Böllmann,G., G. Jurksch: Ein Beitrag für die Festlegung der Grundwind- und Nennböengeschwindigkeit im Binnenland der Bundesrepublik Deutschland für die DIN 1055, Teil 4. Meteorologische Rundschau 37, 1984.
[ 2] Kasperski, M.: Extremwertanalyse der Windgeschwindigkeiten für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsbericht für das DifBt, Berlin,
2000 (unveröffentlich)
[ 3] Peil,U.: Baudynamik. In Stahlbau-Handbuch 1993.
[ 4] Kasperski,M.: Climate Change and Design Wind Loads. Wind and Structures, Vol. 1, No.2 (1998) 145-160.
[ 5] Recommandations for guyed masts. International Assoc. For Shell and Spatial Structures. Madrid 1881.
[ 6] Simiu,E., H.Scanlan: Wind effects on Structures. J. Wiley&Sons, Inc. New York.
[ 7] Troen,I., E.L. Petersen: European Windatlas. 1989.
[ 8] DIN 1055-4: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 4: Windlasten.
[ 9] ESDU 85020: Turbulence Intensities and Reynold stresses. Engineering Science Data Unit, Ltd.

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