Die Telekom (früher Deutsche Bundespost) betreibt eine Funk- oder Fernmeldeanlage in Mainflingen. Von dieser Station wird u.a. das exakte Zeitsignal der Braunschweiger Atomuhr gesendet, Bild 1 und 2.
Bild 1: Foto der Gesamtanlage
Bild 1: Ausschnitt der Anlage | Bild 2: Turm |
Die gesamte Anlage besteht – oder bestand – aus 12 abgespannten Masten, die über Dachantennenseile miteinander gekoppelt sind (Bild 3). Die Dachseile sind an Gegengewichten aufgehängt, die im Turmschaft längsbeweglich aufgehängt sind. Hierdurch wird verhindert, dass die Dachantennenseile bei hohem Eisansatz reißen, da die maximale Seilkraft nie größer werden kann als das spannende Gegengewicht.
Die derzeit vorhandenen Maste I und II (siehe Bilder 3 und 4) sollen abgebaut werden. Da alle Maste miteinander gekoppelt sind, ist die Frage zu untersuchen, ob eine Entfernung der Maste und der damit verbundenen Antennen zu welchen Kräfteumlagerungen im Gesamtsystem führt, die ggf. von der Konstruktion nicht mehr aufnehmbar sind. Hinzu kommt, dass die Gegengewichte im Betrieb verändert wurden und auch die Vorspannkraft nicht mehr der planmäßigen entspricht.
Bild 3: Anlage mit den Masten 1 und 2 (oben links) | Bild 4: Anlage ohne die Maste 1 und 2 |
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Es wird deshalb die gesamte Sendeanlage (Maste und Antennen) modelliert. Zur Reduktion des Aufwandes bei der späteren numerischen Berechnung, werden die Antennen, die in Wirklichkeit aus mehreren parallelen Drähten bestehen, zu einem Ersatzseil zusammengefaßt, das die gleichen statischen Eigenschaften aufweist, wie die tatsächliche Antenne.
Bei der Modellierung werden Effekte, wie Stauchung des Mastschaftes im Vorspannzustand sowie die Schubverformungen der Fachwerkmastschafte berücksichtigt, die beträchtliche Auswirkungen auf das Kräftespiel haben. Vergleichsberechnungen, die vorab durchgeführt wurden, ergaben dass eine Untersuchung der gesamten Anlage nach einer Theorie großer Verformungen (Theorie 3. Ordnung) erforderlich ist. Ein Untersuchung nach Theorie 2. Ordnung würde erheblich zu geringe Mastbeanspruchungen ergeben.
Bei der Modellierung werden Effekte, wie Stauchung des Mastschaftes im Vorspannzustand sowie die Schubverformungen der Fachwerkmastschafte berücksichtigt, die beträchtliche Auswirkungen auf das Kräftespiel haben. Vergleichsberechnungen, die vorab durchgeführt wurden, ergaben, daß eine Untersuchung der gesamten Anlage nach einer Theorie großer Verformungen (Theorie 3. Ordnung) erforderlich ist. Ein Untersuchung nach Theorie 2. Ordnung würde erheblich zu geringe Mastbeanspruchungen ergeben.
Während der Berechnung zeigte sich, daß die Auswehungen der Antennen so groß werden, daß die Gegengewichte in den Anschlag fahren, Da dieser Fall bemessungsbestimmend ist, wurde er dem späteren Nachweis der Konstruktion zugrundegelegt.
Die Eingabedaten sind auf der Basis der letzten Inspektion des Ingenieurbüros G. Fecke, Unna-Hemmerde, aufgestellt. Die geometrischen Daten (Maststellungen, Durchhänge der Antennen etc.) sind dem geodätischen Aufmaß eines Vermessungsbüros entnommen.
Da für die Maste 10, 11, 12 keine statische Berechnung vorlag, wird davon ausgegangen, daß diese baugleich mit dem Mast 9 sind.
Beim Nachweis der Konstruktion wird davon ausgegangen, das dieser erfüllt ist, wenn die auftretenden Beanspruchungen (unter Berücksichtigug der Sicherheiten) geringer sind als die Beanspruchungen, die sich bei der ursprünglichen Berechnungen der Maste ergeben.
Die Ermittlung der Schnittkräfte und Verformungen wird mit Hilfe des selbstentwickelten Programms RASTA durchgeführt, das Untersuchungen von Stab- Seilsystemen mit Gegengewichten nach einer Theorie 2. oder 3. Ordnung erlaubt. Da die Bemessung der großen Zahl der Einzelstäbe sehr aufwendig ist, wurde die Bemessung der Einzelstäbe ebenfalls computergestützt vorgenommen.
Aus diesem Grunde wurde ich beauftragt, eine komplette statische Berechnung der vorliegenden Gesamtkonstruktion vorzunehmen. Die Seilvorspannungen der Abspannungen sollten dabei ggf. auf sinnvolle neue Werte geändert werden. Um die Startwerte der Berechnungen zu erhalten, mussten die Gegengewichte vermessen werden und die einzelnen Seilvorspannungen ebenfalls gemessen werden. Dies wurde vom Ingenieurbüro G. Fecke, Unna durchgeführt. Die Werte der einzelnen Turmkonstruktionen wurden aus den vorliegenden Statischen Unterlagen entnommen und vor Ort stichprobenhaft überprüft. Die Berechnung der Gesamtanlage wurde bei mir beauftragt. Bild 1 zeigt ein Foto der Gesamtanlage, Bild 2 und 3 Ausschnitte bzw. den typischen Fachwerk-Mastschaft.:
Die gesamte Anlage wurde wegen der Kopplungen durch die Dachantennen zu eiunem großen Gesamtsystem zusammengefasst, in das die gemessenen Werte der Vorspannung und der Gegengewichte einging. Bild 3 zeigt einen Überblick über das gekoppelte System ohne die Maste 1 und 2.
Da die Umlenkrollen am Mastkopf bei der Inspektion teilweise festsaßen, wurden bei der Berechnung beide Möglichkeiten durchgespielt:
Das System wurde mit den Windlastansätzen der Norm (damals DIN 4131 neu) und mit Eislast beaufschlagt und die maximalen Reaktionen ermittelt. Da bei einem derart komplizierten Gesamttragwerk eine ungünstige Windrichtung nicht abzuschätzen ist, wird die Windrichtung so verändert, daß im Abstand von 30° die gesamte Windrosette untersucht wird. Die untersuchten Windrichtungen ergeben sich damit zu: Hinzu kommt jeweils noch ein Lastfall zur Berücksichtigung der Mastschaftstauchung und ein Kontrolllastfall für den Vorspannzustand. Insgesamt werden also 14 Lastfälle untersucht.
Bedingt durch die große Abmessung der Gesamtanlage und der begrenzten Korrelation der extremen Windböen, wird nie die gesamte Anlage vom Maximalwind eingehüllt. In der DIN 4131 (11.91) wird dieser Umstand durch eine Reduktion des Windlastansatzes bei den Antennen näherungsweise erfaßt.
Dies bedeutet eine Reduktion der maximalen Windgeschwindigkeit um den Faktor √0,6=0,77. Diese Reduktion wurde in der Weise berücksichtigt, daß der Staudruck auf die Antennen um den Faktor 0,6 reduziert wurde. Programmtechnisch wurde dies durch eine Reduktion der cF-Beiwerte der Antennen erreicht. Der Staudruck auf die Maste selbst wurde nicht reduziert.
Da die cF-Beiwerte des Fachwerk-Mastschaftes richtungsabhängig sind, wurde zunächst auf sicherer Seite mit den maximalen Werten gearbeitet. Wegen der hohen Ausnutzung der Maste mußte dies jedoch aufgegeben werden. Zur Erfassung der Richtungsabhängigkeit wurde eine lineare Interpolation zwischen den Maximalwerten bei Anströmung über Eck und Anströmung senkrecht zu einer Wand im Rechenprogramm implementiert. Bei einem mittleren Fülligkeitgrad von ϕ=0,3 ergibt sich lt. Bild A5 (DIN 4131) für kantige Stäbe und Anströmung über Eck ein Grundkraftbeiwert c_f0 = 2,85 , und bei Anströmung senkrecht zur Wand von c_f0 = 2,35. Da als Ausgangswerte die maximalen Werte für Übereckanströmung eingesetzt werden, werden die Grundkraftbeiwerte programmintern, je nach Anströmwinkel auf den betrachteten Mast zwischen diesen beiden Grenzfällen reduziert.
Die Windrichtungen auf die im Raum liegenden Antennenseile und Abspannungen werden ebenfalls programmintern in Anlehnung an die Regel A.7 in DIN 4131 bestimmt. Eisbelastung wird in Abstimmung mit dem Bauherrn – in Anlehnung an die vorliegenden Berechnungen – nicht berücksichtigt!
Systemmodellierung
Die Systemmodellierung geht aus von den Daten der Geometrievermessung und den vor Ort von G. Fecke erhobenen Daten. Die Mast- und Antennendaten sind den vorliegenden Berechnungen der Fa. Hein-Lehmann und den Konstruktionszeichnungen entnommen. Bei Abweichungen zwischen Berechnung und Konstruktionzeichnung wurden die Werte der Zeichnung zugrundegelegt.
Die Schubsteifigkeit der Fachwerkmastschafte wird über die Differentialgleichung des schubweichen Stabes nach Theorie 2. Ordnung erfaßt. Hierzu wird als Eingangparameter das Verhältnis definiert. F ist die gesamte Stabfläche des schubweichen Stabes, F́ ist die Fläche der Schubhaut. Es ergibt sich für Diagonalen L60x6 und Horizontalen L50x5, bei einem Winkel von 45° zwischen der Horizontalen und der Diagonalen:: Da das Verhältnis von κ nur wenig schwankt wird mit einem festen Wert von κ=10 gearbeitet. Abweichungen hiervon sind ohne Bedeutung für das Ergebnis.
Bei der Modellierung wird davon ausgegangen, daß die Maste im Ausgangszustand ohne Antennen senkrecht stehen. Der Vorspannzustand des Gesamtsystems ist definiert als der der Zustand mit Antennen, ohne Wind- oder Eisbelastung. Abweichungen von dieser Definition ändern den Kraftzustand nur unwesentlich, da die Antennen ein konstante Last an den Mastspitzen absetzen, geringe Verschiebungen sind deshalb ohne Auswirkung auf den Vorspannzustand.
Die durch den Vorspannzustand auftretende Stauchung der Mastschafte wird programmintern wie folgt erfaßt: Im ersten Lastfall ohne Wind und Eis wird der Mastschaftquerschnitt mit einer großen Dehnsteifigkeit versehen und anschließend hiermit die Mastschaftbeanspruchung unter dem Eigengewicht des Schaftes, der Anbauten, der Antennen sowie der Eigengewichte und Vorspannkräfte der Abspannseile ermittelt. Die so ermittelte Mastschaftbeanspruchung wird anschließend als Anfangszustand bei den Lasten mit berücksichtigt /12/.
Die Gegengewichte werden ebenfalls programmintern berücksichtigt. Hierbei wird – ausgegend vom Initialzustand frei oder aufstehend – programmintern geprüft ob die Gegengewichte abheben oder ob die maximale Gegengewichts-Lauflänge erreicht ist. Wenn die Gegengewichte abheben, wird intern die Seilkraft des Seiles, an dem das Gegengewicht wirkt, gleich der Gegengewichtskraft gesetzt und die Verschiebung des Seils in Seilrichtung an dem jeweiligen Knoten freigegeben. Wenn das Gegengewicht seine maximale Lauflänge erreicht, wird umgekehrt ein Festpunkt eingeführt und die nun anwachsende Seilkraft ermittelt. Die Länge und Dehnsteifigkeit des Gegengewichtsseils wird mit erfaßt.
Die Schnittkräfte und Verformungen werden mit Hilfe des Programms RASTA ermittelt. Wie bereits bemerkt, werden hierbei
Wegen der großen Datenmenge bei den untersuchten 14 Lastfälle werden vielmehr die Maximalwerte der genannten Ergebnisse aller 14 Lastfälle mit Hilfe eines Programms ermittelt. Da jeweils die zugehörigen Lastfälle, bei denen die Extremwerte aufgetreten sind, mit ausgegeben werden, lassen sich die Werte für Kontrollzwecke leicht zurückverfolgen.
In den folgenden Bildern werden die verformten Zustände der Antennanlage in Abhängigkeit vom Windrichtungswinkel dargestellt. Der Windrichtungswinkel ist linksdrehend. In den Bibis 9 sind die (überhöhtenVerformungen unter Windlasten aus verschiedenen Richtungen dargestellt:
Bild 4: Windrichtung 0 ° | Bild 5: Windrichtung 60° |
Bild 4: Windrichtung 180 ° | Bild 5: Windrichtung 210° |
Bild 4: Windrichtung 270 ° | Bild 5: Windrichtung 300° |
Im Verlauf der Berechnung wurden einige Vorspannungen optimiert sowie einige Gegengewichte neu justiert.
Die unter den untersuchten 14 Lastfälle entstehenden Schnittkräfte (Biegemomente, Wandschubkräfte, Seilkräfte) werden zunächst nach den für jeden Stab maximalen Werten durchsucht und aufgelistet. Dies wird mit Hilfe eines speziellen Programms MAXI erledigt. Das Programm listet die Maximalwerte aller ermittelten Schnittkräfte auf und gibt sie im Anschluss daran für sog. Baugruppen sortiert aus. Baugruppen sind hierbei z.B. die einzelnen Maste und Antennen.
Da die Bemessung bei der großen Zahl der vorhandenen Stäbe unüberschaubar würde, wurde die Bemessung ebenfalls mit Hilfe eines dafür entwickelten Programms durchgeführt. Wahlweise kann die Bemessung für die DIN 18800 (1984) oder für die DIN 18800 (11.90) durchgeführt werden. Die für eine Überprüfung erforderlichen Kontrollwerte sind mit ausgedruckt.
Bei der Bemessung wurde von gleichen Voraussetzungen ausgegangen,wie in der vorliegenden Bemessung der Maste durch die Fa. Hein-Lehmann. So wurden z.B. die vorhandenen Exzentrizitäten der Diagonalenanschlüsse mit berücksichtigt. Zu Vergleichzwecken werden die Erbnisse der Berechnung für vollen Wind und für auf den Antennen reduzierten Wind angegeben.
Im Folgenden werden die zusammenfassenden Ergebnisse der Bemessung angegeben. Da ein jedes Mastschaft-Element sowohl Eckstiele als auch Diagonalen aufweist, werden die Ergebnisse für jedes Element parallel für Eckstiele und Diagonalen angegeben. Ausrufungszeichen hinter einer Zeile bedeuten, daß die Beanspruchbarkeiten überschritten sind.
Die gewählte Elementaufteilung entspricht nicht der stark wechselnden Anordnung der Diagonalen, so daß die Wandschubkräfte eines jeden Elementes nicht in jedem Fall unmittelbar übernommen werden können. Es wird deshalb so vorgegangen, daß zunächst stets der schwächste Winkel innerhalb eines Stabelementes mit der größten Querkraft des Elementes beaufschlagt wird. Wenn das Bemessungsergebnis ausreicht, liegt dieser Ansatz auf der sicheren Seite. Wenn sich zeigt, daß das Element überbeansprucht wird, werden die Schubkräfte genauer bestimmt. Hierzu werden alle Lastfälle der Ergebnisfiles untersucht und aus der ungünstigsten Kombination die Schubkraft an der entsprechenden Stelle interpoliert.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Abbruch der Maste I und II möglich ist. Es zeigte sich jedoch bei der Berechnung, daß die Diagonalen einiger Mastschaftbereiche (siehe Tabelle Seite 68) nicht ausreichen. Dies ist vermutlich nicht bedingt durch die Veränderung des Kräftespiels infolge Wegfall der Maste I und II, sondern durch das Erreichen der Anschläge der Gegengewichte, wenn die Antennen unter vollem Wind auswehen. Es wird deshalb empfohlen, die genannten Bereiche zu verstärken. Einige Seilvorspannungen müssen angepasst werden.
EIN SCHÖNES UND INTERESSANTES PROJEKT !