1. Windeinwirkung auf Bauwerke

1.1 Notwendigkeit der neuen Normung

Schäden durch Windeinwirkung stellen den größten Anteil der Versicherungsschäden in Deutschland dar. Die Schadenshöhe nimmt dabei ständig zu. Grund hierfür ist zum einen, dass die früheren Normen in vielen Bereichen die Windlasten massiv unterschätzen, zum anderen nimmt die Siedlungsdichte zu, damit haben auch örtliche Ereignisse (Gewitter, Tornados etc.) stärkere Auswirkung als früher.
Die mittleren Windgeschwindigkeiten sind – trotz Klimawandel – in den letzten 20 Jahren kaum gestiegen. Ebenso sind – entgegen allen Vorhersagen der sog. Klimamodelle – die mittleren Erdtemperaturen trotz steigender CO2 Gehalte der Atmosphäre, nicht gestiegen. Damit haben sich die KLimamodelle selbst falsifiziert. Das Folgebild zeigt die Zunahme der Naturkatastrophen, man erkennt, dass der grüne Bereich (jeweils zweiter Abschnitt von unten in den Balken) stetig zunimmt.

Die volkswirtschaftlichen Schäden, mit Anteil der versicherten Schäden zeigt das Folgebild. Man erkennt, wie dramatisch die Zunahme der Schäden ist:

Man erkennt, dass offenbar Handlungsbedarf besteht, Windereignisse und ihre Aus-wirkungen auf Bauwerke kritischer als früher üblich zu behandeln. Die alte DIN 1055-4 „Windlasten“ (1986-08) ist in Bezug auf die Höhe der anzusetzenden Windlasten und in Bezug auf die Auswirkung auf die Bauwerke nicht mehr auf dem Stand der Technik, genauer gesagt, sie war es bereits bei ihrer Einführung im Jahre 1986 nicht mehr. Die alte Norm DIN 1055 Teil 4 (1986-08) geht in ihrem Konzept auf die Ausgabe Juni 1938 (sic !) zurück:

  • einheitliche Windgeschwindigkeit für das gesamte Geltungsgebiet,
  • Erfassung der Böenwirkung durch eine geeignete Böengeschwindigkeit,
  • Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Grund nach der bekannten Treppenkurve.

Aufgabe bei der Neubearbeitung der Einwirkungsnormen im EC 1 und auch in der DIN 1055 war es vor diesem Hintergrund:

  1. Das Konzept der bestehenden Norm dort anzupassen, wo es sich als unzulänglich erwiesen hatte, und
  2. Den Anwendungsbereich zu erweitern, um der Praxis für bisher nicht erfasste Anwendungsfälle genormte Verfahren an die Hand zu geben.

Hierbei wurde auf vielfache Vorarbeiten, vor allem auf den Eurocode in der jeweils neuesten Fassung als Referenzdokument zurückgegriffen. Der Eurocode ist durch den Norm-Entwurf DIN 1055-4 in gestraffter und stärker auf Nutzerfreundlichkeit orientierter Form vorweggenommen. Die zukünftige Einführung des Eurocodes wird somit für die Praxis erleichtert. Im Folgenden werden die Regelungen des Eurocodes 1 Teil 4 „Windlasten“ und die entsprechenden der DIN 1055-4 nebeneinandergestellt, um die (geringen) Abweichungen deutlich zu machen. So wird auch deutlich, dass die Basis der DIN 1055-4 ganz wesentlich auf den Regelungen des Eurocodes basiert. Beide Verfahren werden in parallelen Spalten gegenübergestellt.

Die alte Windlastnorm DIN 1055 -4 (1986-08) enthält keine Windzonenkarte. Vielmehr wird für das gesamte Gebiet der BRD eine einheitliche Windgeschwindigkeit ange-nommen. Diese tritt in

  • Süddeutschland etwa einmal in 50 Jahren,
  • in der norddeutschen Tiefebene etwa einmal in 10 Jahren,
  • entlang der Nord- und Ostseeküste einmal pro Jahr auf.

Das führt zu entsprechenden, extrem unterschiedlichen Sicherheitsniveaus. Es musste daher zunächst eine neue Windzonenkarte erarbeitet werden, mit dem Ziel, das Sicherheitsniveau der Tragwerke zu vereinheitlichen und eine Angleichung an die Windlasten der angrenzenden Länder zu erreichen. Im Einklang mit dem neuen Sicherheitskonzept der DIN 1055-100 ist für die charakteristische Windgeschwindigkeit statistisch eine Wiederkehr von einmal in 50 Jahren vorgegeben. Nach dieser Norm „ist der charakteristische Wert in der Regel so festgelegt, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,98 während einer Bezugsdauer von einem Jahr nicht überschritten wird“ (Abschnitt 6, Satz (8)). Als typischer Grund für eine Abweichung von dieser Regel wird eine geringere Nutzungsdauer angegeben. Die gleiche Anforderung ergibt sich im Übrigen auch aus dem Eurocode. Die Ausarbeitung der Windzonenkarte bleibt im Rahmen dieser Vorgaben den nationalen Anhängen überlassen, d.h. eine verbindliche europäische Fassung ist nicht vorgesehen. Mit der Windgeschwindigkeit wird die Windlasthöhe wesentlich festgelegt. Die Regelung kann sich deshalb bei windempfindlichen Tragwerken u. U. erheblich auf den Entwurf auswirken. Zum Vergleich mit der alten Windlastnorm DIN 1055-4 (1986-08) sind im Folgenden die Werte für den Böenstaudruck in 10m und 40m Höhe über Grund in ebenem, offenem Gelände zusammengestellt. Die Treppenkurve wird für den Vergleich durch eine stetige Kurve angenähert, die in den Erläuterungen zur alten DIN 1055 Teil 4 (1986-08), angegeben ist.

Alte Norm
Treppenkurve: q(10) = 0,80 kN/m² q(40) = 1,10 kN/m²
stetige Kurve: q(10) = 0,75 kN/m² q(40) = 1,02 kN/m²
Neue Norm
Windzone 1, ca. 40% der Fläche d. BRD: q(10) = 0,55 kN/m² q(40) = 0,91 kN/m²
Windzone 2, ca. 45% der Fläche d. BRD: q(10) = 0,66 kN/m² q(40) = 1,11 kN/m²
Windzone 3, ca. 10% der Fläche d. BRD: q(10) = 0,80 kN/m² q(40) = 1,33 kN/m²

Wie die Zusammenstellung zeigt, kann durch die differenzierte Einteilung in Windzonen der Geschwindigkeitsdruck im Süden und in der Mitte Deutschlands vermindert werden. In großen Teilen Norddeutschlands wird er nur geringfügig erhöht, und erst in Teilen von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und von Mecklenburg-Vorpommern ist eine spürbare Erhöhung von 25 bis 30% anzusetzen. In der Deutschen Bucht und ent-lang der Nordseeküste (Windzone 4) ist naturgemäß mit extremen Sturmstärken zu rechnen. In der DIN 1055-4 und im EC 1-4 werden auch zusätzliche Wege eröffnet, die Windlast zu mindern. Bei den Geschwindigkeitsdrücken geht die Standardbetrachtung davon aus, dass
1) das Bauwerk in relativ glattem Gelände mit wenig Bewuchs und Be-bauung liegt, und dass 2) der extreme Sturm aus jeder beliebigen Himmelsrichtung zu erwarten ist.

Die Mehrzahl der Gebäude liegt aber in Gelände mit größerer Rauhigkeit, d.h. weniger exponiert als im Standardfall. Die Windlast ist für diese Gebäude im Vergleich mehr oder weniger stark abgemindert. Der Stand der Erkenntnisse erlaubt es zur Zeit nicht, dazu ein Normverfahren anzugeben. Stattdessen wurde in DIN 1055-4 eine Öffnungsklausel aufgenommen, so dass der Tragwerksplaner die Lastminderungen ausnutzen kann, wenn ihm entsprechende Daten oder Erfahrungen vorliegen. Eine Lastminderung ergibt sich in der Regel auch dann, wenn man den statistischen Zusammenhang zwischen Windstärke und Windrichtung berücksichtigt. Auch hierzu ist eine Öffnungsklausel enthalten. Die Windlastnorm EC 1-4 und die darauf basierende DIN 1055-4 ist ein wichtiger Schritt nach vorn, wie an den folgenden Punkten deutlich wird:

  • Der Praxis werden genormte Verfahren zur Verfügung gestellt, mit denen die Belastung durch Windböen und durch Kármán-Wirbel erfasst wird. Diese Verfahren sind europäisch abgestimmt.
  • Die aerodynamische Beiwertesammlung wurde grundlegend überarbeitet. Sie entspricht dem derzeitigen Erkenntnisstand und ist ebenfalls europäisch abgestimmt. Nur noch wenige Beiwerte stammen aus Messungen in turbulenzarmer Strömung (z.B. Fachwerke). Sie wurden beibehalten, bis aktuellere Messdaten vorliegen werden.
  • Die Lasthöhe wird dem den klimatischen Bedingungen am Bauwerksstandort an-gepasst, indem eine Windzonenkarte aufgenommen wird. Die Regelungen für die charakteristischen Werte entsprechen den Sicherheitsanforderungen der Grundlagennorm DIN 1055-100, dem international anerkannten Erkenntnisstand und gleichzeitig den zukünftigen Euronormen.
  • Die Vergrößerungen der Lasthöhe aus der Windzonenkarte bleiben auf kleine, windreichere Teile Deutschlands z.B. in Küstennähe beschränkt.
  • Wo Lastminderungen zu erwarten sind, dürfen diese zusätzlich ausgenutzt werden, z.B. aufgrund höherer Bodenrauhigkeit oder aufgrund des Windroseneffektes.

Der Eurocode EC 1991-1-4 stellt die Basis des DIN 1055-4 Normblattes dar. Sie unterscheiden sich deshalb nur geringfügig. Der DIN-Entwurf ist klarer und stringenter in der Anwendung, er hält sich an die Reihenfolge die Vorgehensweise bei der Berechnung. Die Windgeschwindigkeit wird im Eurocode mit v in der DIN 1055-4 mit u bezeichnet. Im Folgenden werden beide Bezeichnungen benutzt, wie es im Kontext sinnvoll ist. Beim Vergleich der Regelungen wird der Nationale Anhang mit berücksichtigt.

1.2 Eigenschaften des Windes

1.2.1 Windgeschwindigkeit

Die Windgeschwindigkeit wird meist in m/s angegeben; häufig wird aber auch die Einheit km/h (3,6 km/h = 1 m/s) oder Knoten (1,94 kn ≅1 m/s) verwendet. Sehr verbreitet ist auch die Angabe der sog. Windstärke nach der Beaufortskala, benannt nach dem britischen Admiral Sir Francis Beaufort (1774 – 1857), bei dem die Auswirkung des Windes auf die Umgebung zur Feststellung der Windgeschwindigkeit verwendet wird, vgl. Tabelle1.1 (Stufe 13 bis 17 sind dort angefügt).

Die gemessene Windgeschwindigkeit stellt immer eine Mittelwertbildung dar, da die Messung selbst einen gewissen Zeitraum benötigt. Man kann sich dies so vorstellen, als ob ein zeitlich begrenztes Fenster über den gemessenen Windgeschwindigkeitsschrieb geführt wird und für jeden Zeitpunkt der Mittelwert der im Fenster sichtbaren Windgeschwindigkeiten gebildet wird. Je schmaler das Zeitfenster, desto besser entsprechen die hierin gemessenen Mittelwerte den Spitzenwerten, d.h. desto genauer werden die Windgeschwindigkeitsspitzen erfasst. Für die Messung der mittleren Windgeschwindigkeiten um wird in der Meteorologie ein Zeitfenster von 1 h verwendet, im Bereich der Windnormung hat sich ein 10 min Zeitfenster durchgesetzt. Der Unter-schied ist nicht seht sehr groß: um(10min) ∼ 1,05 ⋅ um(1h). Vgl. dazu das Folgebild:

In den bodennahen Schichten der Atmosphäre wird die Windströmung durch Reibung verzögert. Zwischen dem Gradientwind und der Erdoberfläche entsteht eine Strömungsgrenzschicht, die atmosphärische Bodengrenzschicht. In ihr steigt die mittlere Geschwindigkeit vom Wert Null am Boden, der dort wegen der Haftbedingung vorliegt, auf die Gradientwindgeschwindigkeit am Rande der Bodengrenzschicht an (Windprofil). Vgl. Bild:

Der Strömungszustand in der Grenzschicht ist turbulent. Diese als Böen wahrgenommenen Windgeschwindigkeitsänderungen sind sowohl über die Zeit, noch über den Ort regellos verteilt. Anschaulich kann man sich das Geschehen so vorstellen, dass ein konstanter Grundwind weht, dem sich lokale Böenstörungen überlagern, die anschaulich als translatorisch und rotatorisch bewegte Böenballen beschränkter Ausdehnung gedeutet werden können. Wegen des beschränkten Durchmessers der Böenballen werden kleinere Bauwerke vollständig von der Böe eingehüllt, bei großen Bauwerken werden dagegen nur Teile des Bauwerkes von der Böe getroffen.

Das obige Bild zeigt einen 20 sec Ausschnitt eines Windgeschwindigkeitsfeldes, das bis in die Höhe von 341 m während des Orkans Vivian am 25.1.1990 gemessen wurde (Peil,1992). Deutlich erkennt man die unterschiedlich großen Böengeschwindigkeitsfelder, die sich zufällig dem Grundwind überlagern. Diese kann man sich anschaulich wie große Fußbälle verstellen, die von der translatorischen Grundströmung mitgenommen werden, sich dabei aber selbst zufällig drehen und dabei die örtliche Windgeschwindigkeit vergrößern oder reduzieren. Dieses Bild ist bei der Bemessung sehr hilfreich. Das fo9lgende Bild zeigt einen Quer- und einen Löängsschnitt durch ein Windfeld (Sherlock, 1937). Die Linien gleicher Geschwindigkeit sind durch sog. Isotachen verbunden,. Deutlich erkennt man die Böenballenstruktur:

Die Erkenntnis, dass die maximalen Windgeschwindigkeiten in Form von Böenballen sehr lokal auftreten, wird häufig übersehen, der Effekt wird aber in vielen Fällen wesentlich für die Bemessung. Beispiel hierfür ist ein Schadensfall an einem ca. 40 m hohen Werbeturm mit zwei seitlichen Auslegern, der lediglich auf symmetrische Windanströmung hin bemessen wurde. Bei einem Sturm wurde der Turmschaft unterhalb der Ausleger infolge Torsion durch eine lokale Böe auf einen Ausleger „abgewürgt“ (Bild 1.6 links). Ein zweites Beispiel stellt der Schadensfall an der Funkantenne Mainflingen dar: die Antennen waren in Form einer Reuse um den Mastschaft gespannt. Bedingt durch lokale Böeneinwirkung geriet die Reuse in starke Rotationsschwingungen und musste notabgespannt werden, Bild unterhalb, rechts.

Die maximalen gemessenen Böenspitzen betragen im Flachland in den außertropischen Zyklonen der gemäßigten Breiten ca. 50 m/s, d.h. 180 km/h, in tropischen Wirbelstürmen werden 120 m/s erreicht, in Tornados werden 200 m/s (= 720 km/h !) geschätzt. Auf Berggipfeln treten sehr viel höhere Windgeschwindigkeiten auf.

1.2.2 Windzonen

Nimmt die Rauhigkeit der Erdoberfläche zu, so wird die Windgeschwindigkeit in der atmosphärischen Bodengrenzschicht immer stärker verzögert. Daher sind über See, die aerodynamisch glatt ist, und in küstennahen Gebieten stets höhere Windgeschwindigkeiten anzutreffen als im Binnenland: Die Windstärke und die Windhäufigkeit nehmen mit wachsender Entfernung von der Küste ab. Das zeigt sich u.a. daran, dass eine mittlere Windgeschwindigkeit von 12 m/s (Starkwind) auf der Hallig Hooge 158 mal pro Jahr überschritten wird. Die Überschreitung dauert jeweils im Mittel 6,5 h an. In Stuttgart wird der gleiche Schwellenwert dagegen nur vier mal im Jahr für im Mittel 1,9 h überschritten. Dieser Einfluss wird in sog. Windzonenkarten berücksichtigt, in denen Zonen etwa gleicher mittlerer Windgeschwindigkeiten festgelegt sind. Im Folgebild ist die Windlastzonenkarte Deutschlands nach DIN 1055-4 (2005-03) dargestellt.

Grundlage der Karte ist das dichte Windmessnetz in Deutschland. Allein der Deutsche Wetterdienst betreibt etwa 250 Messstationen (Christoffer et al.,1989). Er verfügt über langjährige Aufzeichnungen, die Voraussetzung für eine statistische Auswertung auf der Basis von Jahresextremwerten sind. Die Messungen erfolgen nach den Richtlinien der World Meteorological Organization in offenem und ebenem Gelände in einer Messhöhe 10 m über Grund. Offen heißt, dass alle Hindernisse um mehr als das 10-fache ihrer Höhe vom Messmast entfernt sein müssen. Kann diese Bedingung nicht eingehalten werden, so wird zum Ausgleich die Messhöhe vergrößert. Die hier angegebenen mittleren Windgeschwindigkeiten gelten für Standardbedingun-gen, nämlich den Geländetyp II in 10 m Höhe über Gelände. Sie haben eine Über-schreitungswahrscheinlichkeit von 2% pro Jahr, d.h. sie werden in 50 Jahren im Mittel gerade einmal überschritten. Sie sind aus der Windstatistik unabhängig von der Windrichtung bestimmt worden. Die Tatsache, dass gerade bei extremen Stürmen bestimmte Windrichtungssektoren vorherrschen, wird in der Windlastzonenkarte nicht berücksichtigt. Es wird vielmehr konservativ angenommen, dass der extreme Sturm aus jeder Richtung zu erwarten ist. Allerdings wird in der DIN 1055-4 (2005-03) und im Eurocode 1991-4 die Möglichkeit eröffnet, in Einzelfällen den Zusammenhang zwischen Windgeschwindigkeit und Windrichtung zu berücksichtigen. Dafür müssen zwei Voraussetzungen bedacht werden:
(1) Es muss eine ausreichende meteorologische Datenbasis vorhanden sein, um statistisch belastbare Aussagen zu ermöglichen.
(2) Die Risikobeiträge aus allen Windrichtungssektoren für eine bestimm-te Bemessungsgröße müssen bei Berechnung des Gesamtrisikos erfasst werden (Da-venport, 1977; Niemann, 1995b).

Die in den Berechnungen anzusetzende Basiswindgeschwindigkeit ergibt sich nach dem EC 1-4 zu: .
Darin ist:

vb die Basisgeschwindigkeit definiert als Funktion der Windrichtung in 10m Höhe für die Geländekategorie II.
vb,0 Grundwert der Basisgeschwindigkeit , festgelegt im NA Anhang A. Dort steht die gleiche Tabelle wir in DIN 1055-4.
cDir Richtungsfaktor, er wird im NA zu 1,0 gesetzt, d.h. der Wind ist richtungsunabhängig anzusetzen.
Aber er kann auch kleiner 1,0 angesetzt werden, wenn genauere Untersuchungen vorliegen.
CSeson Jahreszeitenfaktor, er wird im NA zu 1,0 gesetzt, d.h. der Wind ist unabhängig von den Jahreszeiten anzusetzen.

.
Der Einfluss der Meereshöhe ist ebenfalls nach dem NA Anhang A, d.h. nach DIN 1055-4 anzusetzen. Eine geringere Windgeschwindigkeit darf für eine mittlere Überschreitunsgwahrscheinlichkeit p<=0,02 angesetzt werden, es sei denn, auf Grund kürzerer Nutzungsdauern sind höhere Werte gerechtfertigt. In Formel 4.2 des EC 1-4 ist K=0,1 und n=1 zu setzen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch den NA die Werte und Vorgehensweisen der DIN 1055-4 wieder eingeführt wurden. Zur einfacheren Beschreibung wird die Windgeschwindigkeit in zwei Anteile aufgespalten, in den zeitlichen Mittelwert um und die ihm noch überlagerten Schwankungsanteile infolge der Windturbulenz u’(t). Das folgende Bild verdeutlicht das Geschehen: die momentane Windgeschwindigkeit ergibt sich aus der Summe von mittlerer Windgeschwindigkeit und dem überlagerten, turbulenten Böenanteil:
Formelmäßig gilt: .

Man erkennt im o.a. Bild auch, dass abhängig von der Bodenrauhigkeit, die mittlere Windgeschwindigkeit vom Boden aus mehr oder weniger rasch zunimmt, bis die sog. Gradientwindgeschwindigkeit erreicht ist. Sehr raue Oberflächen (Großstadtbebauung) führen zu einer langsamen Zunahme, die ungestörte Gradientwindgeschwindigkeit wird in sehr viel größerer Höhe erreicht als bei sehr glatten Oberflächen, wie z.B. über offenem Wasser, hier ist eine rasche Zunahme der Windgeschwindigkeit zu beobachten, die Gradientenwindgeschwindigkeit wird hier bereits in geringeren Höhen erreicht.
Diese Zunahme wird im Eurocode 1-4 durch den Ansatz:

mit
c_f(z) Rauhigkeitsbeiwert und c_0(z) Topographiebeiwert.

Das Verfahren zur Bestimmung des Topographiebeiwert nach EC 1-4 wird im NA nicht übernommen, Statt dessen gelten die Profile nach DIN 1055-4, die auch für große Höhen zutreffendere Werte ergeben als der EC 1-4 Ansatz. Der Rauhigkeitsbeiwert cf kann gemäß:

bestimmt werden. Dabei ist α der Profilexponent für das Profil der mittleren Windgeschwindigkeit nach Tabelle NA B1 z_0 die Rauhigkeitslänge nach Tabelle NA B1 z die Höhe über Grund in m.

Auch hier kann festgestellt werden, dass die Eurocoderegeln denen der DIN 1055-4 angepasst wurden, es ändert sich also in der praktischen Nutzung nichts. Das Potenzgesetz für das Windprofil nach dem NA lautet, wie in DIN 1055-4:

Für die Bezugshöhe z_ref wird üblicherweise der Wert 10 m eingesetzt; α ist ein empirischer, von der Bodenrauhigkeit abhängiger Exponent. Im o.a. Profilbild sind beispielhaft für unterschiedliche Rauhigkeiten (Großstadt mit Hochhausbebauung, Kleinstadt mit normaler Bebauung, See) Profile der mittleren Windgeschwindigkeit zusammen mit einer möglichen Realisation von überlagerter Turbulenz dargestellt. Die Rauhigkeitsbeiwerte gehören zu typischen Geländerauhigkeiten. Die Geländeka-tegorien sind in der Norm DIN 1055-4 (2005-03) in vier Gruppen eingeteilt, diese sind in Tabelle 1.2 beschrieben:

Tabelle: Beschreibung der Geländekategorien | | | |Gelände- | Beschreibung | |kategorie | | |I | Offene See; Seen mit mindestens 5 km freier Fläche in Windrichtung; glattes, flaches Land ohne Hindernisse | | II | Gelände mit Hecken, einzelnen Gehöften, Häusern oder Bäumen, z.B. landwirtschaftliches Gebiet | | III| Vorstädte, Industrie- oder Gewerbegebiete; Wälder | | IV| Stadtgebiete, bei denen mindestens 15% der Fläche mit Gebäuden be-baut ist, deren mittlere Höhe 15m überschreitet |]

In der DIN 1055-4 (2005-03) sind Beispielbilder abgedruckt, die eine Vorstellung der örtlichen Situationen geben sollen:

In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Profile angegeben. Auf der sicheren Seite liegend kann in den küstennahen Gebieten sowie auf den Nord- und Ostseeinseln die Geländekategorie I, im Binnenland die Geländekategorie II zugrunde gelegt werden. Tabelle – Profile der mittl. Windgeschwindigkeit, der Turbulenzintensität, des Böenge-schwindigkeitsdrucks und der Böengeschwindigkeit in ebenem Gelände für Geländekategorien

In der folgenden Tabelle sind die Formeln für Profile der mittl. Windgeschwindigkeit, der Turbulenzintensität, des Böengeschwindigkeitsdrucks und der Böengeschwindigkeit in ebenem Gelände für die 4 Geländekategorien dargestellt:

Soll der Einfluss der Bodenrauhigkeit genauer erfasst werden, so ist zu beachten, dass

  • zum einen die günstige Beeinflussung der bodennahen Windgeschwindigkeiten durch Wälder nicht in Ansatz gebracht werden darf, da in einem starken Sturm nicht sichergestellt ist, dass die Vegetation den Windkräften standhält und so die Bodenrauhigkeit günstig beeinflusst.
  • zum anderen beeinflusst die Änderung der Bodenrauhigkeit die Profile der Windgeschwindigkeit und der Turbulenz in Abhängigkeit der Lauflänge ab dem Rauhigkeitswechsel, vgl. Folgebild. Im EC 1-4 ist ein wesentlich aufwändigeres Verfahren angegeben.

Wenn das durch die geringe Rauhigkeit z_01 geprägte bauchige Windprofil auf einen Bereich größerer Rauhigkeit trifft, wird zunächst die Geschwindigkeit im unteren Bereich „ausgebremst“, die oberen Bereiche spüren die Rauhigkeitsänderung noch nicht. Es bildet sich eine Über-gangsgrenzschicht aus, die Profile mischen sich. Erst bei sehr großen Lauflän-gen homogener Rauhigkeit (> 30 km) setzt sich über die gesamte Höhe das neue Profil durch, d.h. in der Praxis wird man innerhalb Deutschlands voll aus-gebildete Profile der Geländekategorie III oder IV kaum finden. In folgenden Bild sind beispielhaft den Grundstaudruck qref,0, sowie bezogene Mischprofile des Böenwindgeschwindigkeitsdruckes für den Übergang von Geländekategorie II auf III für eine Lauflänge von 3 km über der höheren Bodenrauhigkeit dargestellt:

Zu beachten ist:

  • die maßgebende Geländekategorie darf für die interessierenden Windrichtungssektoren stromauf vom Standort getrennt ermittelt werden.
  • In Zweifelsfällen ist die glattere Geländekategorie anzunehmen

Bei der Umrechnung zwischen unterschiedlichen Rauhigkeiten kann von den folgenden Überlegungen ausgegangen werden. Das universelle Gesetz für das Geschwindigkeitsprofil in der vollturbulenten Schicht einer Wandgrenzschicht lautet:
.

mit uτ-Schubspannungsgeschwindigkeit; κ-von-Kármánsche Konstante, es gilt κ = 0,4; z0–Rauhigkeitslänge /aus Norm).

Als Referenzwert wird die Geschwindigkeit v_ref unter Standardbedingungen benutzt, die mit einer Messhöhe z =10 m und einer Rauhigkeitslänge z_0ref=0,05 m (Geländekategorie II) definiert ist:

Die Windgeschwindigkeit für das Referenzgelände wird der Windzonenkarte entnom-men. Um die Windgeschwindigkeit für eine andere Geländerauhigkeit berechnen zu können, wird noch der Zusammenhang zwischen der Schubspannungsgeschwindig-keit und der Rauhigkeitslänge benötigt. Ein empirischer Ansatz, der von Davenport (Davenport, 1982) entwickelt wurde lautet:

Damit wird die Geschwindigkeit in Höhe z bei beliebiger Geländerauhigkeit z0 berechnet: .

In der DIN 1055 – 4 (2005 -3) sind im Abschnitt 10.3 zwei zusätzliche Mischprofile angegeben. Das Mischprofil Küste beschreibt die Verhältnisse in einem Übergangsbereich zwischen der Geländekategorie I und II. Das Mischprofil Binnenland beschreibt die Verhältnisse in einem Übergangsbereich zwischen der Geländekategorie II und III. In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Parameter auch hierfür angegeben. Auch diese Mischprofile sind als Regelprofile im NA eingeführt.

1.2.3 Einfluss der Windturbulenz

Die konstante mittlere Windgeschwindigkeit wird von einem turbulenten Anteil überlagert. Dieser stellt einen stochastischen Prozess, d.h. einen zeitabhängigen Zufallsprozess dar. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Prozess nur mit Mitteln der Statistik hinreichend beschrieben werden kann. Messungen zeigen, dass der turbulente Anteil der Windgeschwindigkeit normalverteilt ist, vgl. Folgebild. Ein normalverteilter Prozess wird durch den Mittelwert u_m und die Standardabweichung σ_u vollständig beschrieben. Die Standardabweichung entspricht in der Glockenkurve dem Abstand des Mittelwert zum Wendepunkt der Kurve.

Der Mittelwert einer Messreihe ergibt sich zu: .
Die Standardabweichung ergibt sich aus der Wurzel der sog. Varianz σu²: zu .
Die Varianz wird numerisch als Mittelwert des quadratischen Abstandes des betrachteten Einzelwertes vom Mittelwert gebildet. Vorzeichen fallen damit heraus.
Die Windturbulenz nimmt mit der Höhe ab, der Gradientenwind ist definitionsgemäß turbulenzfrei. Zur Beschreibung der Höhenabhängigkeit wird häufig die sog. Turbulenzintensität I(z) herangezogen, sie ist das Verhältnis der Standardabweichung des Prozesses in der jeweiligen zu seinem Mittelwert in der Höhe: . In der Statistik entspricht dies dem sog. Variationskoeffizienten. Die Turbulenzintensität nach dem EC Vorschlag ist hier nicht anwendbar, da andere Windprofile verwendet werden. Es gelten laut NA dafür die Turbulenzintensitäten nach Tabelle NA B2. Im folgenden Bild ist ein typischer Verlauf der Turbulenzintensität über der Höhe dargestellt. Die Turbulenz wird nach oben nicht geringer, durch Bezug der Standardabweichung auf den immer größeren Mittelwert des Windes mit wachsender Höhe, wird der Quotient kleiner. Die Turbulenzintensität kann in der Nähe des Erdbodens Werte von 20% bis 30% annehmen.

Das obige Bild zeigt gemessene Turbulenzintensitäten (Peil 1997). Für flaches Terrain kann die Turbulenzintensität I(z) wie folgt bestimmt werden: .

Ein weiteres Merkmal eines Zufallsprozesses ist die sog. Korrelation. Sie ist ein Maß für den statistischen Zusammenhang zwischen zwei Prozessen. Man unterscheidet zwischen der Auto- und der Kreuzkorrelation. Bei der Autokorrelation betrachtet man denselben Prozess, also die Zeitreihe des Wind an einem festen Raumpunkt, aber zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten, die sich um den Zeitunterschied τ voneinander unterscheiden.
Im Folgebild wird ein Messpunkt von einer Böe passiert, die Windgeschwindigkeiten steigen für die Passagezeit der Böe an. .

Bei der sog. Kreuzkorrelation werden zwei unterschiedliche Punkte verwendet und überprüft, ob eine Korrelation zwischen den Windgeschwindigkeiten an beiden Punkten besteht. Im o.a. BIld wird die Kreuzkorrelation nach 3s ansteigen, da die gleiche Böe den Messmast in zwei verschiedenen Höhen passiert. Liegen diese Zeitpunkte nahe zusammen, so kann man erwarten, dass der statistische Zusammenhang sehr groß ist. Er nimmt ab, je weiter τ anwächst. Sie hängt sowohl vom Abstand als auch von der Zeitverschiebung des Eintreffens des korrelierenden Prozesses ab (Böenform). Im o.a. Bild wird die Höhe 30 m 3 Sekunden nachdem die Böe die Höhe 66 m erreicht hat, von derselben Böe getroffen. Die Korrelationen nehmen nach einer gewissen Zeitdauer wieder ab, da die passierende Böe einen beschränkten Durchmesser hat.

1.3 Prüfung der Schwingungsanfälligkeit

Die Prüfung, ob ein Bauwerk schwingungsanfällig ist, ist ein wesentlicher Schritt für das weitere Vorgehen, denn hier wird die Methode des Nachweises festgelegt. Bei schwingungsfähigen Bauwerken muss eine dynamische Berechnung durchgeführt werden. Dies wird im Rahmen der geltenden Normen in der Regel mit Hilfe eines dynamischen Vergrößerungsfaktor geregelt. Der Vergrößerungsfaktor, der immer größer als 1 ist, muss mit den als statisch wirkend angenommenen Lasten multipliziert werden, um die Amplitudenvergrößerung durch die Schwingung zu efassen. Die dynamische Vergrößerung wird im EC 1991-4 durch den sog. Strukturbeiwert cs x cd beschrieben. Der Faktor cs (der Index s steht dabei für statisch, da dieser Beiwert keine dynamischer Vergrößerung enthält), erfasst dabei den Effekt, dass die Windspitzendrücke immer nur örtlich zufällig verteilt und i.a. nicht gleichzeitig auf der gesamten Bauwerksoberfläche wirken. Das führt zu einer Reduktion gerade bei großen Bauwerksoberflächen. Der Faktor cd erfasst dagegen die dynamische Vergrößerung durch die zeitabhängig einfallenden Windböen. Die Frage der Schwingungsanfälligkeit wird in der Norm mit Hilfe eines einfachen Kriteriums geprüft, dass im Prinzip auf frei auskragende Bauwerke hin zugeschnitten ist. Es gilt nach EC 1991-4: (1) Bei Gebäuden mit einer Höhe h<=15m darf auf den dynamischen Einfluss verzichtet werden. Hier ist auch der cs Beiwert etwa gleich 1, so dass gilt cscd =1. Bei Fassaden und Dachelementen mit einer Eigenfrequenz f>5 Hz darf ebenfalls auf eine Berücksichtigung des Strukturbeiwertes cscd verzichtet werden. Die dynamischen Vergrößerungen sind bei solchen Eigenfrequenzen sehr gering, außerdem ist die Oberfläche eines Fassaden- oder Dachele-mentes klein, so dass es gleichzeig von der Spitzenböe eingehüllt sein kann. Auch hier gilt cscd =1. Im Anhang D des EC 1991-4 sind Werte für den Strukturbeiwert für unterschied-liche Bauwerkstypen angegeben. Im NA ist wiederum das Abgrenzungskriterium nach DIN 1055-4 eingeführt. Außerdem gilt nach dem NA: (1) Tragwerke gelten als nicht schwingungsanfällig gegenüber der Böenwirkung, wenn die gesamte Tragwerksreaktion unter Windeinwirkung durch Böenresonanz um nicht mehr als 10% vergrößert wird. (2) Ohne besonderen Nachweis dürfen in der Regel übliche Wohn-, Büro- und In-dustriegebäude mit einer Höhe bis zu 40 m und ihnen in Form oder Konstruktion ähnliche Gebäude als nicht schwingungsanfällig im Sinne dieser Norm angenommen werden. (3) Im Übrigen dürfen die Windlasten für Baukonstruktionen, die als Kragträger wirken, nach dem vereinfachten Verfahren des Abschnitts 10 ermittelt werden, wenn folgendes Kriterium eingehalten wird:


Darin ist x_s die Kopfpunktverschiebung unter Eigenlast in Windrichtung wirkend angenommen, in m δ das logarithmische Dämpfungsdekrement nach Anhang F der Norm, b die Breite des Bauwerks in m h die Höhe des Bauwerks in m.

Bemessung bei nicht schwingungsfähigen Bauwerken

Bemessung bei schwingungsfähigen Bauwerken

zum Anfang zurück